Subject: article about enclaves and exclaves in switzerland
Date: Mar 26, 2002 @ 01:55
Author: chris ("chris" <wertkauf@gmx.net>)
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5. Januar 2002, 02:11

Territoriale Kurzweil

Enklaven und Exklaven im Kanton Zürich

Gemeinde- und Kantonsterritorien sind nicht immer kompakt. Manchmal - im Kanton Zürich in drei Fällen - zeigt die Landkarte abgetrennte Teile, die, Inseln gleich, vom Hoheitsgebiet des Nachbarn umschlossen sind. Planungsrechtlich wird dieser eigenartige Sachverhalt von Fall zu Fall geregelt.

mko. Selbst Leute, die einen leichthändigen Umgang mit Fremdwörtern pflegen, legen ihre Stirn kurz in Falten, wenn sie - ähnlich wie beim Entscheid zwischen Stalagmiten und Stalaktiten - die geographische/politische Eigenschaft etwa von Campione oder des Klosters Fahr benennen müssen. Das Propyläen-Lexikon von 1933 spricht sich mit deutscher Gründlichkeit aus: «Eine Enklave ist ein Gebietsteil des Staates A, der von einem anderen Staat B umfasst ist, aber der Hoheit und Verwaltung von A untersteht. Aus der Sicht des Staates A handelt es sich dabei um eine Exklave.» Für uns Schweizer sind Büsingen und Campione somit Enklaven; aus baden-württembergischer oder italienischer Optik sind es («ex!») ausgeschlossene Gebiete, Exklaven mithin. Die Schweiz, wäre anzufügen, besitzt keine Exklaven.

Exklaven sind Kuriositäten, meist historisch begründbar; doch, wo Belege fehlen, stellt die Legende zur rechten Zeit sich ein. Aus modernem Gesichtswinkel heraus erhebt sich auch die Frage nach der planungsrechtlichen Situation von Enklaven. Unterliegt der abgetrennte Gebietsteil der Planungsregelung der Stammgemeinde, oder hat der Nachbar ein Mitspracherecht? Die Antwort ist rasch gegeben: Pragmatismus und Praktikabilität werden da gross geschrieben; gesetzliche Regelungen bestehen keine.

Blick über die Kantonsgrenze

Ein Blick auf die schweizerische Gemeindekarte offenbart eine gewisse Häufung derartiger Splittererscheinungen im bernisch-freiburgischen Grenzgebiet, dann auch in der Region Engadin- Bergell. Hier befindet sich auch die grösste Exklave unseres Landes, das Gebiet vom oberen Bergell über Maloja bis zur Hälfte des Silsersees, das zur territorial fast verschwindend kleinen Gemeinde Stampa gehört. Die zahlreichen Enklaven im Engadin sind wohl mit dem einstigen Übergang von Alprechten in die politischen Strukturen zu erklären. Auffällig ist auch das Gebiet um St- Ursanne im Kanton Jura, wo die Verzahnung und Zersplitterung dreier Gemeinden zu einem wahren kartographischen Patchwork geführt hat. Erwähnenswert ist auch die Gemeinde Buchberg, die, ihrerseits in einer schaffhausischen Exklave liegend, in drei Teile zerfällt.

Eher seltene Erscheinung im Kanton Zürich

Seit vor einem Vierteljahrhundert im Zuge einer Grenzbereinigung im Flughafenareal die Bachenbülacher Exklave im Klotener Riet, die vermutlich auf frühere Streurechte der Bauern von Bachenbülach zurückging, zu Oberglatt geschlagen wurde (was übrigens als «Veränderung im Gemeindebestand» vom Kantonsrat abzusegnen war), gibt es in unserem Kanton ausser der aargauischen Enklave Kloster Fahr nur zwei Gemeinden mit Exklaven: Glattfelden und Mönchaltorf. Zum Gemeindegebiet des Gottfried-Keller- Dorfes am Rhein gehört das Landwirtschaftsgebiet um den Hof Neuhaus, das südlich vom Eglisauer Gemeindebann umschlossen wird und nördlich in des Rheines Strommitte an Deutschland und an die Rafzerfelder Gemeinde Hüntwangen stösst. Der Sachverhalt ist selbst eingesessenen Glattfeldern nur schwach bewusst und hat als einzige sichtbare Folge, dass für das Neuhaus die Eglisauer Postleitzahl 8193 gilt im Gegensatz zu 8192 Glattfelden.

Einschneidendere Folgen hat der Exklavenstatus für den etwa 20 Hektaren grossen Ortsteil Heusberg, der zwei Kilometer von der Stammgemeinde Mönchaltorf entfernt liegt und an vier weitere Gemeinden grenzt. Hier leben rund 60 Menschen. Planerische Vereinbarungen mit den Nachbargemeinden der Exklave bestehen laut Gemeindeschreiber Neff nicht. So könnte theoretisch Mönchaltorf für die Exklave, heute Landhauszone und öffentliche Zone, ohne weiteres eine andere, zum Beispiel eine gewerbliche Nutzung beschliessen. Nach der Überlieferung entstand die Exklave in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die Kirchsprengel mit den Politischen Gemeinden zur Deckung gebracht werden sollten. Die Heusberger wollten weder nach Seegräben noch nach Kirchuster kirchgenössig werden und konnten den Wunsch, nach Mönchaltorf zur Kirche zu gehen, nur auf dem Wege der politischen «Umpolung» verwirklichen. Im Quartier Heusberg ist der Exklavencharakter handgreiflich. Die Volksschüler gehen, wiewohl der Schulweg nach Mönchaltorf nicht viel länger wäre, nach Gossau zur Schule. Postalisch wird man von Aathal her bedient. Der Feuerwehrdienst wird von Aathal gestellt, wofür Mönchaltorf eine Abgeltung entrichtet. Die Entsorgung von Kehricht und Abwasser schliesslich ist der Anstössergemeinde Wetzikon überbunden.

Der Sonderfall Kloster Fahr

Über die historischen Voraussetzungen, unter denen es zur Ausgliederung des Nonnenklosters Fahr aus dem Kanton Zürich kam, werden schon die Zürcher Primarschüler hinreichend orientiert. Weniger bekannt und eines Hinweises wert ist der Parallelfall des Klosters Wonnenstein, dieser winzigen innerrhodischen Exklave in der Ausserrhoder Gemeinde Teufen.

Das aargauische Einsprengsel innerhalb der Gemeinde Unterengstringen erstreckt sich lediglich über 14 882 Quadratmeter, wobei nordwärts die Kantonsgrenze praktisch den Klostermauern entlangführt. Zum Aargauer Territorium gehören Scheune und Gasthof. Und jetzt wird's kompliziert: Politisch gehört das Kloster zur Gemeinde Würenlos. Seit der Kanton Aargau unlängst die «fliegenden Urnen» abgeschafft hat, besitzt das Kloster Fahr sonderrechtlich einen «aussen liegenden Urnenstandort», so dass die Klosterfrauen in ihrem Haus stimmen und wählen können. Landbesitzer ist indessen das Kloster Einsiedeln, das am 22. Januar 1130 die Stiftung eines Frauenklosters durch Lütolf II. von Regensberg entgegengenommen hatte. Der gegenwärtige Leiter des klösterlichen Ökonomiebetriebs ist denn auch ein Einsiedler Pater. Das Kloster verfügt des Weiteren über das Tavernenrecht und die Fischenz am Mühlebach. Die Feuerwehr ist einfach geregelt: Fünf Leute aus der Aargauer Exklave leisten derzeit Dienst bei der Unterengstringer Feuerwehr. Und was hätte die Gemeinde zu sagen, wenn - ein reines Gedankenspiel - das Frauenkloster einer neuen Nutzung zugeführt würde, zum Beispiel in eine Grossdruckerei verwandelt werden sollte? Der Unterengstringer Gemeindepräsident und Kantonsrat Haderer lacht: Keine Sorge; die bald 900 Jahre alte Stiftung («Einrichtung eines Frauenklosters») kann niemals abgelöst werden, ist unumkehrbar für alle Zeiten. Selbst das moderne Planungsrecht vermöchte daran nichts zu ändern. - Alles andere wäre der nach Jahrhunderten rechnenden klösterlichen Welt auch nicht angemessen.

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